Aus der Beobachtung des Alltags

Die Videoarbeiten von Susanne Hofer nehmen ihren Ausgangspunkt in der präzisen Beobachtung des Alltags und einem intuitiven, untrügerischen Gefühl für jene Momente, die zugleich banal und surreal sind, die sowohl eine gewisse Nüchternheit als auch ein starkes atmosphärisches Potenzial in sich bergen. Die Behausung, das Daheim, die Wechselwirkungen zwischen Innen- und Aussenraum sowie die beweglichen Abgrenzungen öffentlicher und privaten Territorien spielen in den Videos eine wichtige Rolle als Träger oder «Austragungsort» individueller Rituale oder kultureller Muster. Es sind nicht die Handlungen und Menschen, die im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, sondern die Orte selbst, die beobachteten Räume und Situationen, die sich als Protagonisten manifestieren.

Zentrale Aspekte ihrer künstlerischen Position sind die Konzeption von bühnenhaften Räumen und die Formulierung jener Videobilder, die in diesen Settings das Atmosphärische, aber auch die Zeit als historische Dimension, als Vergangenheit erlebbar machen. So sind viele der Arbeiten von einer leisen Melancholie durchzogen, von einem liebevollen Hang zum Nebensächlichkeit und Unspektakulären. Sie rufen Assoziationen von Theaterstücken wach, von Maxim Gorkis Sommergästen, von Anton Tschechows Schilderungen teils quälend träger Nachmittage, an denen sich quasi nicht ereignet und die Luft, das Licht, die Gebäude und ihre Umgebung letztlich die Regie übernehmen. In den „Mikrodramen“, einer Serie von 14 Videos, offenbaren sich kurze Begebenheiten, über deren Bedeutung oder Zustandekommen die BetrachterInnen jedoch im Unklaren gelassen werden: eine Staubwolke rollt über eine Sandpiste, Türen öffnen und schliessen sich, ein Lichtfleck wandert über den Boden eines leeren Zimmers. In den knappen, reduzierten Sequenzen artikuliert sich ein spezifischer Zustand, die räumliche und zeitliche Verfasstheit eines Ortes – faszinierend in ihrer Einfachheit und zugleich verstörend in ihrer unbedingten Existenz.

Irene Müller