Rudy Decelière

Mit dem Ohr an der Natur

10. November 2012 – 27. Januar 2013

mit dem Ohr an der Natur

 

Die Installationen von Rudy Decelière verführen den Betrachtenden zu neuen Erfahrungen durch Ton-Erlebnisse aus der Welt der Natur. „Man müsse nur hinhören, jedes Ding, jedes Blatt jedes Gras mache ein Geräusch, erzeuge einen Ton. La vie sonore oder die Klangwelt sei eine dauernd sich erneuernde Komposition.“ In diesem Kosmos sieht sich der in Genf geborene Künstler als Facteur, als Ingenieur-Compositeur. Für seine Arbeiten verbindet er Geräusche aus der Pflanzenwelt mit mechanischen aus dem Alltag. Die Summe der einzelnen Teile erzeugt eine Harmonie, auf die wiederum alle Elemente Einfluss üben, jedes Blatt, das sich im Wind wiegt, jeder Gegenstand, der sich im Raum befindet, selbst der Betrachtende verändert durch seine Anwesenheit den Ton und wird so zum Teil seiner Werke.

Jüngst zeigte Rudy Decelière in der Abteikirche Bellelay im Jura seine Installation mit dem Titel „Allotopies I, II & III“, für die er mehr als tausend Pflanzenblätter der einjährigen Lunaria, auch bekannt als Silberblatt, je einzeln an einem langen Kupferdraht von der Decke herunter in das Kirchenschiff hängte. Mit Strom in Schwingung versetzt, erzeugten sie einen leisen, arteigenen und zarten Ton. Zusätzlich ertönte alle zwanzig Minuten ein gewaltiger Akkord aus der Orgel und liess die tausend mit Silberblättern bestückten Kupferdrähte erzittern. Die Vibrationen hallten voluminös durch das Kirchenschiff und verklangen wieder bis zum nächsten Orgelanschlag. Das Zusammenspiel von Raum und Klang machte es für die Besuchenden zu einem äusserst sinnlichen Erlebnis: optisch durch den mit filigranen, mit Pflanzen bestückten Drähten geprägten Raum, akustisch durch die Klänge der Orgel und summenden Töne der Drähte und mittels der Schwingungen wurde die Installation auch physisch erfahrbar.

Ab 10. November zeigt Rudy Decelière seine Arbeit „Insulaires“ im Tiefparterre des Kunstraums Kreuzlingen, die, ähnlich wie „Allotopies I, II & III“, die Sinne anregt. In „Insulaires“ verwendet der Künstler getrocknete Herbstblätter, mit denen er die Tonspuren einer Vinylplatte akustisch zu übertragen versucht. Das seltsame Bild, ein altes Grammophone, tourne-disque, mit einem Herbstblatt als Abspielnadel, ist ein Hinweis auf die Vergänglichkeit, der Herbst ist da, das Jahr neigt sich dem Ende zu. Aber wird das Herbstblatt überhaupt einen Ton abnehmen können oder wird es seinen eigenen wiedergeben wollen? Das werden die sinnlichen Fragen des Künstlers an den Besucher, die Besucherin sein.

R. Tisserand